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Combination Traffic

Combination Traffic
Label: Combination Records
Release date: 2001-05-17
Drum’n’Bass war und ist noch immer ein sehr umstrittenes Musikgenre und deshalb seit jeher dem sogenannten "Monty-Python"-Effekt ausgesetzt: Man liebt diesen Sound, oder man hasst ihn, Indifferenz oder Ignoranz ist unmöglich. Anders ausgedrückt: Was für die einen Ekstase-Zustände bedeudet, treibt andere an den Rand des Nervenzusammenbruchs

Die internationale Musikkritik gehört wohl eher der zweiten Gruppe an; seit rund zwei Jahren werden die heftig wummernden Breakbeats kategorisch totgeschrieben – die Ursache liegt laut Damen und Herren Kulturrichter bei der fehlenden Innovation und der daduch verhinderten (überlebensnotwendigen) Weiterentwicklung.

Dabei veschlägt es dem wahren Musikfreak bei der Absurdität dieser Feststellung fast die Sprache. Combos wie Roni Size Reprazent-Projekt, das deutsche Duo Phoneheads, die britischen Plump-DJs oder der ehemalige 808-State-Star Gerald Simpson aka A Guy Called Gerald sind nur einige wenige Protagonisten, welche den Drum’n’Bass dem nötigen Millenniums-Update unterzogen haben – die Resultate, zu erleben auf Tonträger, an DJ-Sessions oder gar bei Live-Autritten, sind brillanter denn je.

Ein anderes Beispiel, das die erwähnten Kritiker alt aussehen lässt, ist die Compilation "Combination Traffic". Das deutsche Combination-Records-Label, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, neue Trends ausfindig zu machen und diese zu veröffentlichen, offeriert auf dieser formidalben Zusammenstellung Drum’n’Bass-Tracks, die sich jedem System-immanenten Gesetz entziehen. Deutlich wird dies gleich beim ersten Stück "Oh, so dear" von Fehlmann & Louise. Keine harten Beats, dafür Hi-Head-Gezirpe, akustische Gitarren, Streicher, Piano-Passagen und die geheimnisvolle Stimme von Madame Selda – dieser Song ist die perfekte Beschallung für die nächtliche Autofahrt durch die verlassene Grossstadt. Die Elektro-Veteranen Metamatics & Clatterboc setzen bei ihrem Beitrag "Allegro" auf synthetisch generierte Naturgeräusche und einen treibenden Samba-Perkussions-Groove. Der emotionalste und stärkste Track aber stammt von Boards Of Canada und trägt den unmöglichen Titel "Amo Bishop Roden". Die Beat-Arrangements sind auf ein Minimum reduziert, dafür tauchen sanft vibrirende Elektronik-Streicher das Stück in eine traurig-wehmütige Melancholie, die jedem Melodrama die Krone aufsetzen würde. Dank "Combination Traffic" heisst es nicht mehr Jazz no Jazz, sondern Drum’n’Bass no Drum’n’Bass.