Sektionen

La Nuit Blanche

La Nuit Blanche
Label: Surprise Records Indigo / Disctrade
Release date: 2003-04-28
Französische Laszivität. Und KKK (KlubKulturKitsch): Man kommt tatsächlich langsam ins Staunen. Ein Revival, das sich so lange halten kann? Die Rede ist vom Elektropop, in seinen lauten Auswüchsen auch als Electroclash betitelt. Seit bald drei Jahren sausen und säuseln die Zuckerwatten-süssen Eighties-Karossen, verstärkt mit digitalem 4/4-Takt-Beatmotor, durch die europäischen (und bisweilen auch durch die nordamerikanischen) Clublands.

Bestimmt haben “echte” Achtzigerjahre-Protagonisten wie Human League, ABC oder Soft Cell mit ihren Revival- und Comeback-Shows als Katalysatoren für dieses Phänomen gewirkt. Dennoch ist eine solche Erklärung für diese “Bewegung” ungenügend. Ist es die Generation des Post-Techno-Zeitalters, welche, dem düsteren Überschall-Zuckeln überdrüssig, nach sanfter, fröhlicher und verspielter Elektronik verlangt? Aber weshalb sind dann die E-Pop-Nächte in der Zürcher Toni Molkerei zu mindestens 50% von Mitdreissigern bevölkert? Schwierig schwierig, eine plausible Lösung für dieses “Problem” zu finden. Nun, vielleicht bedarf es gar keiner Erklärung. Könnte ja sein, dass dieser Sound tatsächlich irgendwie “gut” ist (man möge mir diesen indifferenten Ausdruck verzeihen), dass er - eine grosse Leistung – den Massengeschmack mit der Underground-Coolness zu vermählen vermag. Hört man sich das Album “Nuit Blanche” der belgischen Formation Vive La Fete an, ist diese Folgerung jedenfalls kaum den (Gel-Frisuren-)Haaren herbeigezogen. Vive La Fete, zusammengesetzt aus Danny Mommens, dem ehemaligen Bassisten der Psycho-Rockband DEUS und der Sängerin Els Pynoo (Belgiens Antwort auf Brigitte Bardot), haben es auf ihrem vierten Longplayer fertig gebracht, dem Mainstream huldigende, kitschige Feelgood-Melodien mit einem für die Klubkultur unabdingbar gewordenen Mix aus punkrockigem Gitarren-Trash und Smalltalk-Lyrics zu koppeln. Botschaften, welche davon handeln, weshalb man immer wieder an Partys gehen muss, auch wenn man noch so erschöpft ist (“Nuit Blanche”), oder dass man Girls zwar mit grossen Augen anglotzen aber nicht anfassen darf (“Touche Pas”)...und dies alles in laszivem Französisch gesungen, gehaucht und gekreischt...wen das nicht umhaut, ist nicht von dieser Partywelt! Vive La Fete stehen, auch was die schrill-schräge Bühnenperformance anbelangt, in der Tradtition von Fischerspooner und Zweiraumwohnung. Doch anders als die Duos aus New Yorker und Berlin setzen die Belles-Chiches vermehrt auf rhythmische und musikalische Vielfalt – und auf Liebäugelei mit den “Originalen” der Achtzigerjahre. Das geht soweit, dass man bisweilen plötzlich nicht mehr sicher ist, ob nun statt Vive La Fete Les Rita Mitsouko oder gar die göttliche Lolita Lio aus den Lautsprechern zirpt. Ja, irgendwie ist diese Musik halt einfach “gut”!